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der mit dem Bart bin ich, mit meinem Freund Bruno

der bildermacher

Lebenslauf

oder der Versuch, die eigene Geschichte und Sozialisation
als determinierend für die eigene Arbeit darzustellen

Meine erste ästhetische Ausbildung begann im Arbeitszimmer des Regierungsrats, bei dem meine Mutter putzte. Im Clubsessel des Herrenzimmers sitzend las ich die Meckicomics in der Hörzu und bewunderte die auf einem roten Kissen drapierten Kriegsorden des Hausherrn.

Wieder zuhause habe ich dann gefragt, warum wir keine Clubsessel haben.
Mein Vater, gelernter ostpreussischer Bauer und praktizierender Dorfpolizist bekam die ersten Sorgenfalten ob meiner Fragen: der Jung wird doch wohl kein Linker werden.

Auch mein Opa, Heizer in den Steinzeugwerken und Feierabendbauer konnte mir meine Frage nicht beantworten; er schüttelte den Kopf, beendete dann seine Arbeit des Jauchefassbefüllens aus unsrem Plumpsklo, spannte sich vor seinen Handpflug und lud mich ein, diesen mit meinem Körpergewicht zu beschweren.

Ich fands toll und hab mich erst später gefragt, wo der dünne Mann die Kraft hernahm nach einem Arbeitstag als Heizer in der Keramikfabrik noch den grossen Nutzgarten und den Acker für das Tierfutter zu bestellen.

Sehr viel später fragte mich mein Vater, ob ich es vorziehe im Dreck zu arbeiten oder als Chef, immer gut gekleidet, Aufträge an andere zu vergeben. Hätte ich gewusst, daß dazu der Besuch des Gymnasiums nötig war, hätte ich etwas besser und länger überlegt.

Meine Ausbildung für einen Aufstieg in die höheren Klassen begann in der Sexta eines humanistischen Gymnasiums und kostete meine Eltern 1/5 des Gehalts meines Vaters, was dazu führte, daß sie zu Monatsbeginn immer mit besorgtem Blick lange Listen führten, deren höchster Betrag immer die Raten für die ABC-Bank waren.

So erlernte ich dann neben der Vorbereitung auf den weisse-Kragen-Job auch die Arbeit des Bauhilfsarbeiters und das „Knollerötche“ (Rüben einzeln). Mein Vater verstärkte dann ungewollt meine rebellischen Tendenzen, indem er nach einem langen Arbeitstag auf dem Rübenfeld auf das Feld pinkelte mit den Worten: „Oh Herr ich danke Dir, daß Du uns die Kraft gegeben hast, dem „drekelije Buur die Knolle ze rötche“ (dem dreckigen Bauern die Rüben zu einzeln). Er sprach, als Ostpreusse, fehlerfreies Eifeler Platt.

Nachdem ich das Gymnasium mit einigem Misserfolg absolviert hatte, da auch das Beten und Opfern eines Groschens im Waldkapellchen nicht geholfen hatte, das zweite Sitzenbleiben in der gleichen Klasse zu verhindern, wurde ich auf die Handelsschule in Euskirchen entsorgt (wg. des weisse-Kragen-Jobs). Aber immerhin fast Grossstadt (Euskirchen).

Aber dann: kfm Stift (Auszubildender) in KÖLN, boh eh. Ich war in der Grossstadt, alles andere war nur Nebensache.

Na ja, nach einem nicht so sehr erfüllten Leben als kfm. Angestellter, Buchhalter und Programmierer wollte ich mit 35 noch ein paar eckige Runden drehn:
Nach 3 Jahren Abendgymnasium erteilte man mir die Studienberechtigung (reif bin ich hoffentlich noch lange nicht).
Als gestandener 68er kam als Studium natürlich nur Sozialarbeit in Betracht.

Ich habe aber zuerst ein freiwilliges Praktikum beim SSK (Sozialistische Selbsthilfe Köln) absolviert. (die SSK wurde u.a. von Heinrich Böll unterstützt)
Ich habe heute noch eine gewaltige Hochachtung vor den Sozialarbeitern, die zusammen mit ihren „Kunden“ einen Kohlenhandel und eine Entrümpelungs- und Umzugsfirma betrieben. Die Erträge aus dieser Arbeit wurden zu gleichen Teilen verteilt. Da eine staatliche Finanzierung der SSK keinerlei Freiheit in der Sozialarbeit und damit eine reine Verwaltung des Elends bedeutet hätte, verzichtete man bewusst auf Hilfe des Staates, um durch selbstverwaltete Arbeit auf ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben der Mitglieder vorzubereiten.
Ich war und bin zu sehr Kleinbürger um mich, unter Zurückstellung eigener Interessen, total dieser Arbeit zu widmen. Ich hätte es allerdings auch nicht mit meinem Job vereinbaren können (sagt der „Bobo“ (Bohémien Bourgeois) in mir entschuldigend).

Nach verschiedenen Experimenten: Soziologie in Duisburg, Volkswirtschaft in Köln u.a. habe ich mich dann im Fachbereich freie Kunst der Werkkunstschule Köln eingeschrieben. Nach dem Elementarstudium habe ich als erste eigene Arbeit die Porträtserien der Hooligans und Skinheads erstellt. Das ich einige der Hooligans vom Praktikum her kannte, hat mir bei der Arbeit sehr geholfen.
Meine vollständige Integration ins Milieu ist allerdings der Polizei gelungen, indem sie mich mit einem Greiftrupp aus der Südkurve heraus verhaftete, was aufgrund der Projektion auf dem Stadionbildschirm im ganzen Stadion zu sehen war und auch in der Sportschau übertragen wurde. Ich war durch diese Aktion vom Nobody zum Promi im Milieu geworden.

Um die Szene und auch mich selbst in dieser Szene etwas besser verstehen zu können, habe ich mich dann bei der FernUni Hagen für ein Magisterstudium mit Hauptfach Soziologie und den Nebenfächern Philosophie und Psychologie eingeschrieben. Das Hauptfach habe ich dann später in Philosophie geändert.
Da Kunst und Philosophie nur in seltenen Fällen den Lebensunterhalt ermöglichen, habe ich während dieser Zeit auch gearbeitet, was die Studiendauer auf 20 und mehr Semester verlängerte, was ja zu dieser Zeit, Bakunin sei Dank, noch möglich war.
Es gab auch ein paar Ausstellungen.

....noch nich fertich!!

Bertolt Brecht
Me-Ti: Über reine Kunst

Me-Ti sagte: Neulich fragte mich der Dichter Kin-jeh, ob er in diesen Zeitläuften Gedichte über Naturstimmungen schreiben dürfe. Ich antwortete ihm: Ja.
Als ich ihn wieder traf, fragte ich ihn, ob er Gedichte über Naturstimmungen geschrieben habe.
Er antwortete: Nein.
Warum, fragte ich.
Er sagte: Ich stellte mir die Aufgabe, das Geräusch fallender Regentropfen zu einem genußvollen Erlebnis des Lesers zu machen. Darüber nachdenkend und hie und da eine Zeile skizzierend, erkannte ich es als nötig, dieses Geräusch fallender Regentropfen für alle Menschen, also auch für solche Menschen zu einem genußvollen Erlebnis zu machen, die kein Obdach besitzen und denen die Tropfen zwischen Kragen und Hals fallen, während sie zu schlafen versuchen. Vor dieser Aufgabe schreckte ich zurück.
Die Kunst rechnet nicht nur mit dem heutigen Tag, sagte ich versucherisch. Da es immer solche Regentropfen geben wird, könnte ein Gedicht dieser Art lange dauern.
Ja, sagte er traurig, wenn es keine solche Menschen mehr geben wird, denen sie zwichen Kragen und Hals fallen, kann es geschrieben werden.